Stephan Ruß-Mohl (1992: 85) hat das Bestreben, journalistische Qualität im Journalismus festzulegen, mit dem Versuch verglichen, einen Pudding an die Wand nageln zu wollen. Er hat damit ein innerhalb der Forschung sehr einprägsames Bild entworfen, das stellvertretend für die Flüchtigkeit des Konstrukts der Qualität steht. So sind sich viele Forschende bewusst, dass der Qualitätsbegriff abhängig von Zeit, Gesellschaft und Medien einem inhaltlichen Wandel unterliegt (vgl. Stark 2013: 54).
Im Kontext crossmedialer Verweise wird von ausgegangen, dass Qualität keine Eigenschaft bestimmter Wertungsobjekte ist, sondern ein Beobachterkonstrukt (vgl. Bucher 2003: 12). Übergeordnet wird Qualität in den Kontext von Anforderungen gesetzt: „Quality is conformance to requirements“ (Crosby 1979: 15). Dies bedeutet, dass im Idealfall festgelegte Anforderungen von bestimmten Akteuren nach deren Umsetzung übereinstimmen sollten; jede Abweichung gilt als Mangel (vgl. Thiedemann 2013: 42 oder Meckel 1999: 31). Bleiben vorher festgelegte Anforderungen unerfüllt, kann nicht von Qualität gesprochen werden (vgl. Bucher 2003: 88).
Qualitätskriterien crossmedialer Verweise
- Nutzwert (z. B. Produkttest, Anleitung, Ratgeber)
- Vielfalt (z. B. Themenübersicht, thematische Ergänzung, Vertiefung)
- Verständlichkeit (z. B. Erläuterungen, Grafiken)
- Attraktivität (z. B. Teaser)
- Sinnlichkeit (z. B. Storytelling, Nullpositionen auffüllen)
- Interaktivität (z. B. Usercontent, Kommunikation, Diskussion, Aktionen)
- Transparenz (z.B. Quellenangabe oder Kontext der Produktion)
Nutzwert: „Denn Nutzwertjournalismus ist vergleichsweise teuer. Er erfordert intensive Recherche, aufwändige Tests und zusätzlich eine starke Haltung gegenüber der Anzeigenabteilung. Die vollständige Unabhängigkeit wie bei der Stiftung Warentest wird dagegen in kaum einer Redaktion zu erreichen sein.“ (Stoppbacher 2014: o. S.). Diesem Verständnis entsprechenTexte aus dem Ratgeber- und Verbraucherjournalismus, die Rezipienten in ihrem praktischen Alltag unterstützen oder auch zur Entscheidungsfindung beitragen sollen (vgl. Eickelkamp: 264 sowie Meier 2003: 260). Im Ratgeberjournalismus stehen Texte und Formate im Fokus, durch die Rezipienten Tipps, Handlungsanleitungen, Gebrauchsanweisungen oder Tests erhalten (vgl. Renner 2010: 126). „Service“ hingegen stellt keinen Nutzwert dar: Unter Services werden Zusammenfassungen von Artikeln in Kästen oder nichtredaktionelle Verzeichnisse wie Veranstaltungskalender oder Börsenkurse verstanden (vgl. Eickelkamp: 263) sowie redaktionelle Veröffentlichungen für künftige Ereignisse wie Kino- oder Fernsehprogramm, Kulturveranstaltungen und Wetterinformationen (vgl. Meier 2002, 180f.). Auch Angebote wie ein Behördenwegweiser oder redaktionelle Telefon-Aktionen für Leser-Fragen werden zu Serviceleistungen gezählt (vgl. Eickelkamp 2009: 263).
Vielfalt: „Vielfalt“ kann sich auf den einzelnen Beitrag beziehen, wenn er sich auf verschiedene Quellen stützt und unterschiedliche Perspektiven enthält (Meier 2013b: 237). Dies kann u. U. auch auf einen einzelnen Verweis zutreffen: In diesem Fall gelangt der Rezipient über den Verweis zu einer journalistischen Produktion, die das Thema multiperspektivisch behandelt. Eine vertiefte und kritische Auseinandersetzung mit einem Thema wird damit den Rezipienten ermöglicht. Liegt der umgekehrte Fall vor, indem im ersten Medieninhalt viele Verweise integriert sind, um Leser auf unterschiedliche Positionen aufmerksam zu machen, so kann die Qualität eines jeden einzelnen Verweises beurteilt werden, da jeder von ihnen theoretisch Mängel aufweisen können.
Verständlichkeit: Unter diesem Merkmal werden Verweise erfasst, die zur Veranschaulichung bestimmter Sachverhalte dienen können. Die Rezipienten sollen durch den Medienwechsel an Erläuterungen und Erklärungen gelangen.
Attraktivität: Das Qualitätskriterium der Attraktivität kann als Grundlage zur Bewertung der journalistischen Fähigkeit herangezogen werden, Leser zielgruppengerecht anzusprechen und zur Rezeption bestimmter Themen oder Beiträge zu motivieren (vgl. Meier 2103: 237). Dies ist u. U. bei gut formulierten Teasern der Fall (gilt nicht für Clickbaites!).
Sinnlichkeit: Das Qualitätsmerkmal der Sinnlichkeit, das beispielsweise für eine gekonnte Dramaturgie eines Beitrags oder ein passendes Zusammenspiel von Text und Bild steht (vgl. Meier 2013b: 237), kommt u. a. durch ein entsprechend umgesetztes Storytelling-Konzept zum Ausdruck. Das Kriterium der Sinnlichkeit liegt immer dann vor, wenn ein Wechsel der Einzelmedien vorliegt.
Transparenz: Eine Auslegung des Qualitätsmerkmals der Transparenz liegt in der Offenbarung journalistischer Recherche-Quellen (vgl. Meier 2003: 261). Sie besteht darin Literatur, Studien oder andere Dokumente, die als Grundlage der journalistischen Produktion herangezogen wurden, offen zu legen. Nach Meier wäre es wünschenswert, dass Rezipienten „in einer Anmoderation über Urheber, Hintergrund und Kontext der Quelle informiert werden“ (Meier 2003: 261).
Interaktivität: „Interaktivität“ wird spätestens seit dem Hinzukommen und der Etablierung des Online-Journalismus als Qualitätskriterium diskutiert (vgl. Held/Ruß-Mohl 2005: 55). Darunter sind alle Interaktionsformen zu verstehen, die den Dialog zum Publikum fördern bzw. „eine Mitwirkungsmöglichkeit des Publikums an Themenfindung und Medieninhalten“ (Meier 2013b: 236) anbieten. Dazu gehören u.a. Diskussionsforen, aber auch Produktionen von Lesern (= User Generated Content), die der Journalist veröffentlichen kann (vgl. Meier 2003: 256).
Mängel an crossmedialen Verweisen
- Mangelnde Transparenz (Grund für Selektion des Verweis-Ziels unbegründet bzw. kommerzielle Grund; nicht kommunizierte Kosten für Zugriff)
- Zugang zum Verweis-Ziel ist erschwert (z. B. nicht kommunizierte Registrierung)
- Falsche oder fehlerhafte Angabe im Text zur Verlinkung
- Medieninhalt im Verweis-Ziel ist veraltet
- Medieneinheit existiert nicht
- Werbliche Tendenzen (Werbesprache im Text zur Verlinkung oder im Verweis-Ziel bzw. sonstige werbliche Tendenzen)
Mangelnde Transparenz: Der Grund für die Verlinkung ist unklar bzw. nicht eindeutig, wenn zum Beispiel der Link zu einem kommerziellen Inhalt eines bestimmten Anbieters führt. Als intransparenter Link wird auch ein Link definiert, der zu einem kostenpflichtigen Inhalt führt und die Kosten dafür vorab nicht kommuniziert wurden.
Veraltete Inhalte: Sollten zum Zeitpunkt der Veröffentlichung neue, relevante Fakten vorliegen, die nicht in den Beitrag integriert wurden, so ist die journalistische Produktion veraltet. Bei der Überprüfung älterer Beiträge ist das Kriterium der Aktualität bei offensichtlichen Versäumnissen, die Inhalte zu aktualisieren, zu bemängeln. Als Beispiel dient hier das Angebot einer Gewinnspielteilnahme, obwohl der Einsendeschluss bereits abgelaufen ist.
Technische Mängel: Dahinden et al. (2004: 117) haben in ihrer Studie das Qualitätsmerkmal Technik anhand der Dimensionen „Verlässlichkeit“, „Wartung“, „Aktualisierung“, „Ladezeit“ und „Sicherheit“ näher bestimmt. Für Online-Inhalte ist vor allem der verlässliche Zugriff darauf relevant. Kann der User nicht auf den Inhalt zugreifen (zum Beispiel bei fehlerhaften Verlinkungen), ist das Kriterium der Technik zu beanstanden.
Zugang zum Verweis-Ziel ist erschwert: Für Carsten Winter (1998) lassen sich kostenfreie Angebote, auf die User ohne Registrierung zugreifen können, eher den hochwertigen Inhalten zuordnen. Wenn Funktionen wie eine Kommentarfunktion deaktiviert sind, obwohl auf eine Diskussion verweisen wird, ist das Kriterium der Zugänglichkeit nicht erfüllt. Aber auch wenn eine Registrierung erforderlich ist (mit Ausnahme von Foren etc.) und dies nicht klar erkennbar im Vorfeld kommuniziert wurde, werden solche Verlinkungen bemängelt.
Falsche oder fehlerhafte Angabe im Text zur Verlinkung: Mit dem Merkmal der Verlässlichkeit, das sich Pfammatter (1998) zufolge durch korrekte Verlinkungen, eine niedrige Fehlerquote und wenige Programmierfehler auszeichnet, lassen sich ebenfalls Aussagen zur Qualität treffen. Auf Verlinkungen adaptiert, kommen diese innerhalb der Markierung im fehlerfreien Abdruck aller erforderlichen Angaben auf die zu wechselnde Medieneinheit zum Tragen. Auch wenn ein anderer Inhalt als angekündigt vorliegt, so ist dies zu bemängeln.
Medieninhalt im Verweis-Ziel ist veraltet: Führt die Verlinkung zu einem veralteten Inhalt, wie die Teilnahme an einem bereits abgelaufenen Gewinnspiel, liegt eine Verlinkung mit Mängel vor. Im Kontext von Verlinkungen auf einen anderen Medieninhalt, sollte dieser aktuell sein, d. h. bei Änderungen obliegt es dem Redakteur, diesen zu aktualisieren.
Medieneinheit existiert nicht: Führt die Verlinkung nicht zum angekündigten Anbieter, sondern wird dem User eine Fehlermeldung angezeigt, so gilt es auch diesen Mangel zu beanstanden.
Werbliche Tendenzen: Enthält der Text zur Verlinkung werbesprachliche Tendenzen oder führt die Verlinkung zu einem werblichen Inhalt, wird über die Verlinkung das Kriterium der Unabhängigkeit beanstandet. So selbstverständlich es auch erscheinen mag: Qualitätsjournalismus zeichnet sich durch den Verzicht auf Schleichwerbung und auf das Kenntlichmachen von Werbung aus. Ein Ausschlusskriterium zur Klassifikation stellen daher Beiträge mit werblichen Elementen wie Werbefoto oder Werbesprache dar. Im Qualitätsmerkmal der Unabhängigkeit kommt dies zum Ausdruck, indem die Redaktion eine für den Leser klar erkennbare Trennung von redaktionellen und werblichen Inhalten vornimmt (vgl. Arnold 2009: 175). Mangelnde Unabhängigkeit kann dann reklamiert werden, wenn diese klare Trennung durch werbliche Elemente oder Verweise auf kommerzielle Angebote unterlaufen wird.
Unter „werbesprachliche Elemente“ wird die Verwendung folgender Wörter verstanden (nach Römer 2012):
- Schlüsselwörter (wie „Bio“, „nachhaltig“, „natürlich“ oder „frei“)
- Gefühlswörter (wie „liebenswert“, „Leistung aus Leidenschaft“ oder „danke, danke, danke“)
- Affektwörter (wie „toll“, „prima“, „Wir lieben Technik“ oder „kleiner Tropfen, großer Wirkung“), Bewertungswörter (wie “innovativ“ oder „das Beste“)
- Abwandlung von Fremd- und Fachwörter (wie „TechTex“)
- Besonderer Einsatz von Anglizismen (wie „Pimp up your Style“) oder „Call to Action“ (Handlungsaufforderung zu kommerziellen Zwecken wie „Jetzt bestellen“)